Zwischen Dam, Rembrandt und Rosenquist

Hoi Amsterdam! Reinhard ballt die Linke auf dem Bahnsteig.
Wir bekamen großen Kunstdurst in der öden Heide und ahnten, in Holland könnten wir ihn stillen. Es sollte die Initialzündung unserer Kunstaktivitäten werden, die wir über viele Jahre gemeinsam anschoben. Wie wir das alles vorbereitet hatten, ist mir heute schleierhaft. Der Fernzug brachte uns hin. Und als wir, beide 17, da in Amsterdam auf dem Bahnsteig standen, waren wir einfach stolz und glücklich, dem Mief entfleuchtr und ihr näher gekommen zu sein ..
Das Zelt hatten wir ausgeliehen, vom KTSB (Kreis-Turn- und Sportbund). Es war aus sehr schwerer Baumwolle (wahrscheinlich Modell Stalingrad) und man durfte es, wenn es regnete, was leider öfter vorkam, nicht berühren. Sonst regnete es durch. Trotzallem oder derade deswegen haben wir in dieser kurzen Zeit viele lange Gespräche geführt. Den Zeltplatz, der direkt neben dem Olympiastadion lag, gibt es heute nicht mehr ..

Im Zelt hat Reinhard mir erzählt, dass er schwul ist. Ich habe darüber ein Interview mit ihm in derr nächsten Schülerzeitung veröffentlicht (natürlich anonym).
Unseren Campingplatz direkt neben dem Olympiastadium gibt es heute längst nicht mehr.
Amsterdam war, nach London und Paris, eine ersten europäischen Städte mit einer außereuropäischen Minderheit, die das Stadtbild bunt machte. Das hat mir sehr gut gefallen. Mit Reinhard hab ich ich darüber nicht geredet. Im Kino haben wir uns den Woodstock-Film angeschaut, der gerade rausgekommen war. Deshalb weiß ich, dass es 1970 war ..
Aber irgendwie wir waren Himmelsstürmer und hatten keinen Respekt.
Zuerst gingen wir, die ordentlichen Deutschen, ins Rijksmuseum. Der Rummel um Rembrandts „Nachtwache“ hat uns schockiert und abgestoßen. Rembrandts Bilder haben wir natürlich bestaunt. Aber mein Held unter den Alten war Vermeer. Ich hatte sogar ein Notizbuch dabei, in dem ich unsere Assoziationen zu einzelnen Bildern festgehalten habe ..
Wir konnten nichts kaufen. Aber was wir gesehen haben, war mehr als genug . Einmal sind wir ins Kino gegangen. Der Woodstock-Film hatte Premiere. Deshalb weiß ich, dass es 1970 war.
An zuhause haben wir kaum gedacht.
Wir liebten die Popart. Deshalb fühlten wir uns vom Alltäglichen angezogen. Rosenquist war einer unserer Helden. Im Stedelijk Museum haben wir zum ersten mal eines seiner Bilder, dieses Bild, von Nahem gesehen. Das war schon ein ergreiftender Moment, Und von denen gab es nun viele. Gleich im ersten Raum standen schiefe und krumme Musikskulpturen von Jean Tinguely, halb Maschine, halb Instrument. Wenn man auf den Knopf drückte, machten sie einen Ton, der auch schief und krumm war ..
Da saßen wir nun auf dem Dam, damals tatsächlich einer der großen Hippie-Plätze. Aber darum ging es nur ganz am Rande. Unser Rauschgift war die Kunst ..